Die Ortler Nordwand - großer Anstieg / große Gefahren....
Die Ortler Nordwand - großer Anstieg / große Gefahren....

BERGSTEIGEN / 31.05.2014

 

Zwischen Irrsinn & Mythos - die Ortler Nordwand / D+

 

"Es ist eine Dummheit, die Ortler-Nordwand zu machen. Kein vernünftiger Bergsteiger schlägt diese Wand als Tour vor", so der Alpinisten-Übervater Reinhold Messner in diesem Interview mit der Neuen Südtiroler Tageszeitung.

 

Da haben wir es: Ich bin also ein unvernünftiger Dummkopf. Schon Besseres über mich gehört.

 

Von den großen objektiven Gefahren im unteren Wandteil habe ich natürlich auch gewußt. Was soll ich sagen? Hab's trotzdem gemacht.

 

Was natürlich nicht heißt, dass mein Bergpartner und ich vollkommen kopflos in diese große Wand eingestiegen sind.  Ich hatte die Tour schon länger im Visier und Moritz schien mir genau der Richtige hierfür. Wir hatten bereits den Münchner Weg in der Watzmann-Ostwand sowie die Pallavicini-Rinne am Großglocker gemacht.  "Wenn die Bedingungen passen, steigen wir ein", waren wir uns einig.

Passende Bedingungen hieß für uns konkret: Wenig Niederschlag in der Woche vor der Tour und stabiles Wetter am Tourentag mit niedrigen Temperaturen. Die Wetterprognose sah für den Samstag, den 31.05.2014 vielversprechend aus, so sammelte ich Moritz am Mittwochabend am Ulmer Busbahnhof ein und wir starteten von dort aus Richtung Ötztal.

Zwischenstop im Kaunertal - Gemütlich wird es erst im warmen Schlafsack...
Zwischenstop im Kaunertal - Gemütlich wird es erst im warmen Schlafsack...

Unser Plan sah vor, dass wir uns am Gepatschferner ein wenig einklettern und zwei Nächte auf 2.300 bzw. 2.700 Meter verbringen. Der Kaunertaler Gletscherstraße sei Dank für die bequeme Anreisemöglichkeit per Automobil.

 

Der Gepatschferner hatte sich seit meinem letzten Besuch 2010 stark verändert. Die Gletscherzunge war sicher 500 Meter abgeschmolzen, seitliche Steilabbrüche zum Eisklettern waren quasi auch nicht vorhanden. Es war dann wirklich nur ein "rumgepickel", mehr aber auch nicht.

 

Aber egal, wir wollten ja eh nur ein wenig akklimatisieren.

Heimat für eine Nacht - die Tabarettahütte auf 2.500 Metern...
Heimat für eine Nacht - die Tabarettahütte auf 2.500 Metern...

Am Freitagmorgen sind wir dann weiter nach Sulden gefahren. Tagesziel war der Winterraum der Tabaretta-Hütte, von wo wir dann am Samstag in die Tour einsteigen wollten.

 

Da in der Vorwoche die Wand nicht gemacht wurde, konnten wir bei den örtlichen Bergführern leider keinen sehr gebräuchlichen Infos bekommen. Ein "ja mei, es könnt' scho gehen" hat uns dann ermutigt zumindest den Aufstieg zur Hütte anzugehen.

 

Erfreulicherweise war der Hüttenwart vor Ort um die Räumlichkeiten für die Frühjahrs- bzw. Sommersaison vorzubereiten, sodaß wir heimelige Ofenwärme genießen konnten. Vor Ort waren noch zwei weitere Aspiranten, Wout und Rik aus den Niederlanden. Sie hatten den Weg bis zum Wandfuss schonmal gespurt und wollten auch morgen früh los.

 

Ach ja, von der Wand war im übrigen gar nichts zu sehen. Ab 2.800 Meter hüllte sich König Ortler in Wolken. Nun, der Wetterbericht ließ uns auf einen sonnigen Samstag hoffen.

Mountaineering! It's magic...
Mountaineering! It's magic...

Die Nacht war kurz und unruhig. Wie eigentlich immer bei großen Touren. Ein erster Blick aus dem Fenster: BÄÄÄÄÄM, eine sternenklare Nacht und wolkenloser Himmel erwarteten uns.

 

Noch kurz etwas ess- und trinkbares runtergewürgt, schon empfing uns um kurz nach 2.00 Uhr die kalte und pechschwarze Nacht. Der Mond hatte sich ganz klein gemacht, sodaß wir froh waren, den Spuren von Wout und Rik, die ca. 30 Minuten vor uns gestartet waren, folgen zu können.

 

Moritz und ich hatten verabredet, dass wir am Wandfuss noch einmal "den Bauch befragen" und uns dann tief in die Augen schauen. Einmal eingestiegen, dessen waren wir uns bewußt, mussten wir durch. Ein Rückzug wäre einfach zu heikel, weil man sich dann eine lange Zeit den hoch oben lauernden objektiven Gefahren aussetzen würde.

 

Etwas mulmig war mir schon, als wir über den Lawinenkegel in die Nordwand gequert sind. Ich fühlte mich trotzdem recht gut und hatte ein positives Grundgefühl.

 

Moritz hielt kurz inne: "Hier geht's nach oben. Was ist mit Dir?" "Weiter", sage ich. Moritz will auch. Also los....


Bis zum Flaschenhals geht's Dank Trittfirn und guter Spur (Danke an Wout & Rik) gut voran. Hier holen wir die Halbseile raus, denn ab hier geht es - zumindest heute - die nächsten 400 Höhenmeter mal schön in Frontalzackentechnik weiter. Da die Neigung sich beständig im Bereich 60°/65° bewegt (kurze Aufschwünge bis 75°) entscheiden wir uns dafür, klassisch durchzusichern und in Wechselführung weiterzusteigen. 

 

Sicher, den Tibloc als "running belay" eingesetzt würde es sicher schneller gehen, diese Sicherungstechnik haben wir jedoch beide noch nicht angewendet, dann wollen wir heute auch nicht damit anfangen. Und seilfrei: Ne', für uns hier sicher nicht.

Im oberen Teil der Wand...
Im oberen Teil der Wand...

Die Waden brennen und es ist echt zäh'. Es zieht sich, die Luft tut ihr übriges. Trotzdem wir drei Nächte über 2.000 Metern schon hinter uns haben, fällt es einem - je weiter es nach oben geht - schon schwer. Perfekt akklimatisiert schaut sicher anders aus.

 

Wir sind nicht gerade schnell unterwegs, aber sicher. Stetig kommen wir dem Ausstieg näher.

 

Um 14.00 h haben wir die Wand hinter uns und stapfen Richtung Gipfel, den wir zusammen mit Wout und Rik erreichen.

 

Wow, der Ortler. Weit und breit keine Menschenseele zu sehen, nur wir vier. Nach einer ausgiebigen Gipfelrast schließen wir uns für den Abstieg zu einer Seilschaft zusammen.

Für den Abstieg hatten wir den Weg über die Payerhütte im Visier, allerdings haben wir uns im Vorfeld aufgrund der Schneeverhältnisse - der felsige Teil des Normalweges lag noch tief unter dem Schnee - Gedanken über eine Alternativroute gemacht.

 

Der Hüttenwirt der Tabarettahütte hatte uns den den Weg ins Seitental empfohlen, um dann wieder Richtung Payerhütte zurückzuqueren. Samt knackigem Gegenanstieg :-). 

 

Wir wählten dann die Variante Richtung Berglhütte, in der Hoffnung, dass diese auch geöffnet hatte.

 

Weil uns an diesem Tag das Glück hold war, hatte der Hüttenwirt aufgrund der guten Schitourenverhältnisse dann doch sein Refugio geöffnet und wir konnten diese klasse Bergfahrt bei Spaghetti Bolognese und kühlem Bier gebührend feiern.

 

Am nächsten Tag ging es zu Fuß ins Tal und via Taxi zurück zum Auto.  Geschafft. Den Ortler im Tourenbuch.

 

Und ja, Glück hatten wir an diesem Tag natürlich auch.

 

Das hatte der Reinhold aber sicher auch mal... :-)